Bestimmte Netzentgelt-Pools sind unzulässig

Nachgelagerte Netzbetreiber dürfen bestimmte miteinander verbundene Umspannstationen keinesfalls poolen

Nach Informationen der Zeitschrift für kommunale Wirtschaft (ZfK) habe das Landgericht Offenburg den Verteilnetzbetreiber Netze Mittelbaden GmbH aus Lahr dazu verurteilt, an seinen vorgelagerten Verteilnetzbetreiber Netze BW gekürzte Netzentgelte in Millionenhöhe aus dem vergangenen Jahr nachzuzahlen. Das Gericht erklärte die Pooling-Vorschrift für unwirksam, wonach (vorgelagerte) Netzbetreiber bei der Berechnung des Leistungspreises die zeitgleiche addierte richtungsgleiche Jahreshöchstlast mehrerer Entnahmestellen heranziehen müssen, wenn diese miteinander galvanisch, durch eine elektrisch leitfähige Verbindung, verbunden sind (§ 17 Absatz 2 a Satz 4 Nr. 2 Stromnetzentgeltverordnung).

Mit dem Poolen sinkt die Jahreshöchstlast und damit der Leistungspreis, da so nicht die maximale Last jeder einzelnen Entnahmestelle zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Jahr addiert wird, sondern nur die höchste Leistung gilt, die alle Entnahmestellen addiert in einer einzigen Viertelstunde des Jahres hatten. Der nachgelagerte Netzbetreiber oder der angeschlossene Industriebetrieb kann also durch Pooling Netzentgelte sparen.

Die Vizepräsidentin des Landgerichts vertritt die Auffassung, dass nicht nur für das "galvanische" Poolen die Rechtsgrundlage fehle, sondern auch für das induktive Poolen von Übergabestellen, die untereinander zwar nicht mit Kupfer verbunden sind, aber über Trafostationen. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Begriffe der Vorschrift, die nur galvanischen Pools dieses Privileg gibt, seien eindeutig. Eine Ausdehnung per Richterrecht auf induktiv verbundene Entnahmestellen sei daher ausgeschlossen. So aber würden die einen Netznutzer gegenüber den anderen grundlos schlechter behandelt. Denn beide Arten Pools erfüllten den Zweck, untereinander Last zu verlagern und so die vorzuhaltende Leistung zu verringern. Damit wiederum verstoße § 17 Absatz 2 a Satz 4 Nr. 2 Stromnetzentgeltverordnung gegen das Diskriminierungsverbot im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG § 21 Absatz 1). Der Verordnungsgeber habe also seine Ermächtigungsgrundlage überschritten, weil sie gegen höherrangiges Recht, das EnWG eben, verstoße (EnWG § 24 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Nr. 4). Netze BW hatte den induktiven Teil eines Pools der Netze Mittelbaden nicht anerkannt.

Die Poolung von Entnahmestellen im selben Netzknoten (§ 17 Absatz 2 a Satz 4 Nr. 2 Stromnetzentgeltverordnung) ist von dem Urteil, das der ZfK vorliege, offenbar nicht in Frage gestellt.
Die Entscheidung bindet zwar nur die Parteien Netze Mittelbaden und Netze BW, doch eine bundesweite Bedeutung dürfte der Fall bekommen, weil er andere vorgelagerte Netzbetreiber dazu anleiten könnte, die Anerkennung galvanischer und/oder induktiver Pools ebenfalls zurückzunehmen – rückwirkend. Außerdem hat die Kanzlei Gersemann, die Netze Mittelbaden vertritt, nach eigenen Angaben Berufung beim Oberlandesgericht Karlsruhe eingelegt.
Überdies führt die Bundesnetzagentur (BNetzA) in einem ähnlichen Sachverhalt ein Missbrauchsverfahren gegen Netze BW. Dem Vernehmen nach haben die Star-Energiewerke aus Rastatt das Verfahren beantragt. Nach Auskunft von Netze BW, einer 100%-Tochter der EnBW, will die BNetzA bis Anfang September entscheiden. Sollte die Verfügung gegen sie ausgehen, stünde ihr der Beschwerdeweg vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf offen – wieder ein Obergericht.

Für viele nachgelagerte Netzbetreiber und für Industriebetriebe geht es jedenfalls schnell – wie hier – um Millionen Euro, und zwar pro Jahr – wenn sie mehrere Entnahmestellen an verschiedenen Netzknoten desselben vorgelagerten Netzbetreibers auf derselben Umspannebene poolen. Am Ende könnte – nach der parlamentarischen Sommerpause – eine politische Lösung stehen. Die Bundesregierung könnte mit Zustimmung des Bundesrates etwa den gekippten Passus auf induktive Pools ausdehnen. Das Urteil fiel erst in der letzten Woche vor den baden-württembergischen Sommerferien, am 22. Juli (Aktenzeichen 5 O 10/15 KfH).

Wortlaut des § 17 Absatz 2a Stromnetzentgeltverordnung:
"Eine zeitgleiche Zusammenführung mehrerer Entnahmestellen zu einer Entnahmestelle zum Zwecke der Ermittlung des Jahresleistungsentgeltes nach Absatz 2 Satz 2 (Pooling) ist unabhängig von einem entsprechenden Verlangen des jeweiligen Netznutzers durchzuführen, wenn all diese Entnahmestellen

1. durch denselben Netznutzer genutzt werden,
2. mit dem Elektrizitätsversorgungsnetz desselben Netzbetreibers verbunden sind,
3. sich auf der gleichen Netz- oder Umspannebene befinden und
4. entweder Bestandteil desselben Netzknotens sind oder bei Vorliegen einer kundenseitigen galvanischen Verbindung an das Elektrizitätsversorgungsnetz angeschlossen sind.

Im Übrigen ist ein Pooling mehrerer Entnahmestellen unzulässig. Das Vorliegen der in Satz 1 genannten Voraussetzungen hat der Netznutzer nachzuweisen. Das Pooling erfolgt

1. im Falle des Satzes 1 Nummer 4 erste Alternative durch eine zeitgleiche und vorzeichengerechte Addition (Saldierung) der Lastgangzeitreihen der Entnahmestellen innerhalb des zeitgleichen Messintervalls der Lastgangzählung oder

(jetzt folgt der gekippte Passus:)
2. im Falle des Satzes 1 Nummer 4 zweite Alternative durch eine zeitgleiche Addition der richtungsgleichen Lastgangzeitreihen der einzelnen Entnahmestellen innerhalb des zeitgleichen Messintervalls der Lastgangzählung."
Quelle: www.zfk.de

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